Konvent 2014

Der Jahreskonvent der Suevia Pannonica fand am 2. November im Ungarndeutschen Museum in Backnang statt.

Nachdem die zum Vereinsleben gehörenden, obligatorischen Punkte, wie Bericht des Vor­standes und der Rechnungsprüfer, Finanzlage, Entlastung des Vorstandes abgehackt wurde, wurden über aktuelle Themen gesprochen.

Aufarbeitung der Geschichte der Verschleppung/Deportation der Ungarndeutschen in die Sowjetunion wäre ein wichtiger Themenbereich, mit dem sich die Suevia Pannonica mit dem Ziel einer Publikation erscheinen zu lassen, beschäftigen könnte. Wir wären in der Lage ein diesbezügliches Forschungsprojekt finanziell zu tragen.

53. Stiftungsfest

Nach dem gemeinsamen Mittagessen wurde das 53. Stiftungsfest mit einem interessanten Vortrag von Frau Judit Klein aus Fünfkirchen eingeleitet.

Frau Klein ist freie Journalistin und Doktorandin an der deutschsprachigen Andrássy Univer­sität Budapest bei Prof. Gerhard Seewann. Sie hat vor der umfassenden „Medienbereinigung“ nach dem Wahlsieg von Viktor Orbáns einige Jahre als Fernseh­journalistin der deutsch­sprachigen Sendung des öffentlich-rechtlichen Ungarischen Fernsehens gearbeitet. Ihr für ungarische Verhältnisse provokante Referats­überschrift lautete:

Wie frei sind die Medien noch in Viktor Orbáns Ungarn?

Judit Klein
Judit Klein bei ihrem Vortrag in Backnang

Im ersten Abschnitt ihres Vortrages ging die Referentin auf die Überwachung und Beein­flussung der Presse in der kommunistischen Ära Ungarns von der Wende ein. Die Journalisten standen unter ständiger Kontrolle der Partei. Eine Zensurbehörde erübrigte sich, denn die Redak­teure mussten regelmäßig an Sitzungen der Partei­zentrale teilnehmen, wo ihnen die Vor­stellungen und Direktiven der Partei mitgeteilt wurden. Die Chef­redakteure und die meisten re­dak­tionellen Mitarbeiter der Presse waren wie selbst­verständlich eingebunden in die Ein­partei­en­welt jener Zeit. Sie waren Teil der Politik der Partei. Ihr Bildungsweg und ihre Qualifikation war nur mäßig: Nur 37% der Journalisten ver­fügten über einen Hochschul­abschluss. „Im so­zi­alis­tischen Journalismus sah der Redakteur sich selbst als Diener des Systems. Daraus er­klärt sich die selbst­verständliche Selbst­zen­sur, die als ein Wesensmerkmal der Presse vor 1990 zu bezeichnen ist“, führte Frau Klein aus.

In den Jahren der Wende wurde die poli­tische Kontrolle der Partei über die Printmedien außer Kraft gesetzt. Die Zeitungen wurden pri­vatisiert. Der Status der elektronischen Me­dien (Fern­sehen, Hörfunk) blieb unverändert, wurde durch ein Moratorium konserviert. Und schon bald meldeten sich die ersten Stimmen aus dem natio­nal-konservativen Lager, der Partei De­mokra­tisches Forum (DF), das später in die von Viktor Orbán geführte Freidemokratische Partei Fidesz einging. Ihr wortmächtiger Apologet István Csurka verkündete „Es ist ein Irrtum, dass die Presse unabhängig sein muss. Die Presse dient den Interessen der Regierung. Auch andere Parteien fielen schnell nach den ersten demo­kratischen Wahlen in die alte Gewohnheit zurück, dass die öffentlich-rechtlichen Medien unter der Kontrolle und möglichst im Dienste der Regierung stehen sollten.“ Insbesondere das Lager der konservativen Journalisten übernahm bereits 1993 diese Sicht für sich. Der Vorsitzende des konservativen Journalistenverbandes Ungarns, István Benedek, formulierte über die Beziehung von Journalisten und Regierung, „Der Ministerpräsident darf nicht so tolerant sein, dass er das wichtigste Werkzeug eines Politikers aus der Hand gibt: sein Sprachrohr, nämlich die zur Heimat treuen Journalisten.“

Die nationalkonservative Fidesz-Regierung ließ wenige Jahre später (durch die staatliche Postbank) die liberalen Zeitungen einstellen und gründete eigene (Magyar Narancs, Kurír, Napi Magyarország) Zeitungen. Auch der öffentlich-rechtliche Hörfunk und das Fernsehen wurden mit der bewährten Methode einer autoritären Personalpolitik unter die Kontrolle der Regierung gebracht: Die Vorsitzenden dieser Medien wurden kurzerhand abgelöst und mit eigenen Partei­gängern besetzt.

„Der unabhängige öffentlich-rechtliche Journalismus rückte in eine immer weitere Entfernung“, resümierte Frau Klein. „Die Einmischung in Presse- und Medienlandschaft wurde von allen Regierungen und vielen Politikern bis zur heutigen Zeit weitergeführt.“

Die Journalisten waren in Wirklichkeit nur eine kurze Spanne nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Ära unabhängig. Waren sie vor der Wende der sozialistischen Einparteienpolitik nolens-volens gehörig, mussten sie bald danach die Interessen und die Macht (Entlassungs­gefahr) der zunächst wechselnden, zur Zeit mit 2/3 Mehrheit dominierenden Regierungspartei Fidesz tunlichst beachten. „Man tut gut daran, politische Farbe zu bekennen in der heutigen Journalistenwelt Ungarns. Die Präferenz einer politischen Partei bekommt so aus existenziellen Gründen höhere Priorität, als die Unabhängigkeit oder der Berufsethos des Journalisten. Vor der Wende gab es keinen demokratischen Journalismus. Diese Praxis wird auch danach fortgesetzt.

Die Medienlandschaft wurde zwar bunter, aber die Eingrenzung der eigenen journalistischen Freiheit, konnte man jeden Tag in den Redaktionen hautnah erleben“, beschreibt ihre berufliche Erfahrungen Frau Klein.

„In Ungarn funktioniert seit der Wende eine Parteienpresse. Jede Zeitung oder Sendung ist an eine politische Richtung oder Partei gebunden. Deshalb sind die Medieninformationen zwangs­läufig einseitig parteiisch und schildern die Realität auch nur einseitig. Da die Quellen der Nachrichten auch weitgehend bei den politischen Machthabern liegen, werden die prägende Sichtweise und damit die öffentliche Meinung automatisch von der Regierung bestimmt. Aus diesem Grund kann sich kein kritischer gesellschaftlicher Diskurs, geschweige denn Kritik an der Regierung entwickeln.

(Frau Judit Klein beschäftigt sich im Rahmen ihrer Dissertation eingehend mit der jüngsten Geschichte der Medien in Ungarn.)